Riccarda Kappeler wurde vom Leben mehrmals aus der Bahn geworfen, bis sie sich ernsthaft mit ihren eigenen Bedürfnissen befasst hat. Für alle diese Erfahrungen ist sie dankbar und hat genau die richtigen Menschen getroffen, um Schritt für Schritt ihre Traumarbeit zu erschaffen.
Im Interview erzählt sie uns, was ihr geholfen hat, mehr für sich selbst einzustehen, in der Begeisterung keine Versprechungen mehr zu machen und genau die passenden Kunden für ihre Lieblingsarbeit zu finden.
Meine Arbeit als Leitern HR bei einem grösseren KMU hat mir immer Freude bereitet. Ich konnte alle Bereiche abdecken: Löhne, Sozialleistungen, Einstellungen, Entlassungen, Weiterbildungen usw. Mein Einsatz war meistens über 100%. Zusätzlich habe ich noch meinen Partner in seiner Firma unterstützt, was aber völlig okay und stimmig war. Mein Leben lief geordnet und perfekt - bis im Mai 2015 - Diagnose Brustkrebs.
In der Firma fragte ich kurzfristig für eine Woche Ferien
und plante eigentlich nach der Operation wieder weiterzumachen. Aber es kam
anders. Es gab eine zweite Operation, Chemotherapien wurden verordnet, und die
Bestrahlungen bestimmten während den nächsten rund 10 Monaten mein Leben. Meine
Arbeit konnte ich nur noch zu einem kleinen Pensum ausführen, denn die
Nebenwirkungen liessen einfach nicht mehr zu. Ich war meinem damaligen
Arbeitgeber enorm dankbar, dass ich meinen Einsatz so frei planen durfte.
Bei den vielen Gesprächen mit meiner Onkologin wollte ich herausfinden, warum ich diese Krankheit bekommen habe und was ich in Zukunft besser machen sollte. Ich glaubte einfach, diese Krankheit wollte mir etwas sagen (und ich glaube das auch heute noch). Hat sie etwas mit mir und meinem Lebensstil zu tun? Auf was muss ich achten? Aber meine Onkologin wie auch andere Ärzte meinten, das sei einfach Pech, Zufall, dass es mich getroffen habe.
Das stimmte für mich nicht und ich suchte nach Lösungen, nach Antworten und entschied mich rund ein Jahr später, meinen Job zu kündigen und eine neue Herausforderung anzunehmen, in einem kleineren Pensum, mit weniger Verantwortung. Leider von kurzer Dauer, denn nach drei Monaten erhielt ich die Möglichkeit, die Nachfolge meiner Vorgesetzten als HR-Leiterin zu übernehmen. Mein Partner riet mir davon ab, da ich ja kürzertreten wollte, aber das schob ich ganz einfach zur Seite und stürzte mich wieder in die Arbeit. Für mich war das eine Chance und die packte ich. Auch als mir ein paar Monate später das Angebot gemacht wurde, in diesem Treuhand-Unternehmen als Partnerin einzusteigen, war das für mich das Grösste und eine riesen grosse Wertschätzung für all die Weiterbildungen und Zeit, die ich investiert hatte. Als Realschülerin wollte ich der Welt zeigen, dass man mit Willen und Einsatz sehr viel erreichen kann.
Peter: Wieder zurück in der perfekten Welt. Wieso bist du nicht mehr dort?
Riccarda: Gegen Herbst/Winter 2019 spürte ich, dass etwas nicht mehr stimmte. Die Belastung wurde immer grösser; ich hatte zu viel gearbeitet, hatte gesundheitliche Probleme, erneute operative Eingriffe, eine Wunde, die nicht heilen wollte und ich wollte die schon längst anstehenden Mitarbeitergespräche auf das neue Jahr verschieben. Aber als ich mein Team kurz vor Weihnachten über meine aktuelle Situation informierte, hatte ich bei der Arbeit einen Zusammenbruch, mein Verstand ist einfach runtergefahren. Ich konnte nicht mehr klar denken, konnte das gesagte nicht wahrnehmen, habe immer wieder die gleichen Fragen gestellt und wurde nach Hause gebracht. Mein Partner sagte, dass wir ins Spital müssen, für eine Untersuchung, aber ich hatte Angst, dass ich eingeliefert werde, in eine Klinik, wo man mich ruhigstellt. Ich wusste sehr wohl, dass ich wieder zu viel, viel zu viel gemacht hatte. Ich hatte dann mit meinem Partner einen Deal, dass wir ins Spital gehen, aber eine Einlieferung in eine Klinik nicht in Frage komme und so fuhr er mit mir ins Spital (dies weiss ich so nicht mehr, das ist die Erzählung meines Partners). Es konnte glücklicherweise kein Tumor oder ein ähnlicher Grund festgestellt werden, aber diese Reaktion ist in der Medizin bekannt als TGA (Transiente globale Amnesie), eine vorübergehende Störung der Gedächtnisfunktionen, die sich innerhalb von maximal 24 Stunden wieder zurückbildet. Als Auslöser kommen physischer oder emotionaler Stress, Kälte und starke sportliche Belastung in Frage.
Meine Arbeit blieb liegen und zwischen Weihnachten Neujahr wollte ich dann meine Pendenzen abarbeiten, doch als Schutz für mich selbst hatte die Firma meinen Account gesperrt. Nach diesem für mich unnötigen „Zwangsurlaub“ habe ich dann aber doch feststellen müssen, dass das Leben so nicht weitergehen kann. Ich kam irgendwie nicht mehr auf Touren und als uns dann Corona mit voller Wucht gebremst hatte, bin ich Ende März bei meiner Onkologin erneut zusammengebrochen und wurde anfangs April in eine Klinik überwiesen – Erschöpfungsdepression.
Peter: Welche Wirkung hatte dieser zweite "Hilferuf" deines Körpers bei dir?
Riccarda: Ich wusste, dass ich jetzt definitiv etwas ändern musste. Ich wusste, dass mein Leben so nicht weitergehen kann. Das war mir eigentlich schon nach meiner Brustkrebserkrankung klar, aber ich hatte nicht auf meine Zeichen gehört, hatte sie einfach nicht hören wollen und ignoriert. Ein Kollege schlug mir vor, mich selbständig zu machen. Meine erste Reaktion war klare Ablehnung: wie sollte ich das schaffen, wenn zusätzlich zur Belastung noch die Verantwortung der Selbständigkeit dazu kommt. Das konnte ich mir für meinen Typ schlicht nicht vorstellen. Es vergingen Monate, doch die Idee lies mich nicht mehr los.
Nach dem Klinikaufenthalt arbeitete ich nur wenige
Prozent und versuchte wieder Tritt zu fassen in meiner Funktion als
HR-Leiterin. Aber ich schaffte es einfach nicht, ich stiess sehr schnell an
meine Grenzen und konnte die Aufgaben nicht mehr bewältigen. Aufgrund dessen
entschied ich mich, meine Arbeit zu kündigen und mir eine Auszeit zu nehmen,
mir Gedanken zu machen, wohin mein Weg mich führt, was gut für mich ist, etc. Während
dieser Auszeit durfte ich bei Erich (meinem Partner) im Motorradgeschäft
arbeiten, durfte meine Arbeiten so einteilen, wie es für mich am besten
stimmte. Dafür bin ich ihm enorm dankbar. Er war es auch, der mir sagte, dass
all meine Ausbildungen und Kurse, die ich besucht hatte, verloren seien, wenn
ich nicht in meinem Beruf bleiben würde.
Einige Monate später, nach vielen Gesprächen und guter Überlegung habe ich mich für den Weg in die Selbständigkeit entschieden. Völlig unerwartet war ich nach diesem Entscheid extrem im Vertrauen, wusste dass alles gut kommt.
Ein paar Leute in meinem Umfeld haben mir davon abgeraten, sie hatten Angst, dass ich wieder zu viel arbeiten und meine Grenzen nicht sehen würde, aber sie konnten mich nicht verunsichern. Für mich war es klar und das Risiko überschaubar: ich hatte etwas Erspartes und meinen Partner voll und ganz im Rücken.
Peter: Wer oder was hat dich dabei unterstützt?
Peter: Wie steht es mit der Belastung mit deiner Selbständigkeit, hast du die Überzeit im Griff?
Peter: Herzlichen Dank liebe Riccarda fürs Teilen deiner Gefühle, deiner schmerzhaften Erfahrungen und deinen wertvollen, inspirierenden und krisenerprobten Tools. Ich bin sehr dankbar für diese Begegnungen mit dir und freue mich, durch deine Geschichte, Menschen Mut zu machen, mehr auf ihre Gefühle zu achten und ihren ganz persönlichen Weg zu gehen.
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